Katzenfreundschaften
Es gibt Katzen, und ich kannte selbst
solche, die schon mehrere Male mit ihren Herrschaften
von einer Wohnung in die andere gezogen sind, ohne
daß es ihnen eingefallen wäre, nach dem
alten Haus zurückzukehren. Sie urteilen eben,
daß der Mensch in diesem Fall mehr wert sei
als das Haus. Andere Katzen kommen, sobald sie ihren
Herrn von weitem sehen, augenblicklich zu ihm heran,
schmeicheln und liebkosen ihn, spinnen vertraulich
und suchen ihm auf alle Weise ihre Zuneigung an den
Tag zu legen. Sie unterscheiden dabei
sehr wohl zwischen ihnen bekannten und fremden
Personen und lassen
sich von ersteren, zumal von Kindern, unglaublich
viel gefallen, freilich nicht soviel wie alle
Hunde, aber doch ebensoviel wie manche. Andere
Katzen begleiten ihre Herrschaft in sehr artiger
Weise bei Spaziergängen durch Hof und Garten,
Feld und Wald. Ich selbst kannte zwei Kater, welche
sogar den Gästen ihrer Gebieterin in höchst
liebenswürdiger Weise das Geleit gaben, 10-15
Minuten weit mitgingen, dann aber mit Schmeicheleien
und wohlwollendem Schnurren Abschied nahmen und
zurückkehrten. |
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Katzen befreunden
sich aber auch mit anderen Tieren. Man kennt viele
Beispiele von den innigsten Freundschaften zwischen
Hunden und Katzen, welche dem lieben Sprichwort gänzlich
widersprechen. Von einer Katze wird erzählt,
daß sie es sehr gern gehabt habe, wenn sie ihr
Freund, der Hund, im Maule in der Stube hin und her
trug; von anderen weiß man, daß sie bei
Beißereien unter Hunden ihren Freunden nach
Kräften beigestanden, und ebenso auch, daß
sie von den Hunden bei Katzenbalgereien geschützt
wurden.
Manche Katzen liefern außerordentliche
Beweise ihrer Klugheit. Solche von echten Vogelliebhabern
werden nicht selten so weit gebracht, daß sie
den gefiederten Freunden ihres Herrn nicht das geringste
zuleide tun. Giebel beobachtete, daß sein schöner
Kater, Peter genannt, eine Bachstelze, welcher genannter
Naturforscher im Zimmer hielt, wiederholt mit dem
Maul aus dem Hof zurückbrachte, wenn der Vogel
seine Freiheit gesucht hatte - natürlich, ohne
ihm irgendwie zu schaden.
Ein ganz gleiches Beispiel ist mir
aus meinem Heimatdorf bekannt geworden. Dort brachte
die Katze eines Vogelfreundes zur größten
Freude ihres Herrn diesem ein seit mehreren Tagen
schmerzlich vermißtes Rotkehlchen zurück,
welches sie also nicht nur erkannt, sondern auch gleich
in der Absicht gefangen hatte, ihrem Gebieter dadurch
eine Freude zu bereiten!
Gestützt auf diese Tatsachen,
glaube ich, daß auch folgende Geschichte buchstäblich
wahr ist: Eine Katze lebte mit dem Kanarienvogel ihres
Herrn in sehr vertrauten Verhältnissen und ließ
sich ruhig gefallen, daß dieser sich auf ihren
Rücken setzte und förmlich mit ihr spielte.
Eines Tages bemerkt ihr Gebieter, daß sie plötzlich
mit großer Hast auf den Kanarienvogel losstürzt,
ihn mit den Zähnen faßt und knurrend ein
Pult erklettert, den Kanarienvogel dabei immer fest
in den Zähnen haltend. Man schreit auf, um den
Vogel zu befreien, bemerkt aber gleichzeitig eine
fremde Katze, welche zufällig in das Zimmer gekommen
ist, und erkennt erst jetzt Miezchens gutes Herz.
Sie hatte ihren Freund vor ihrer Schwester, welcher
sie nicht trauen mochte, schützen wollen.
Weitere Beweise für den Verstand
des vortrefflichen Tieres lieferte unsere eigene Hauskatze.
Im schönen Monat Mai hatte sie auf dem Heuboden
vier allerliebste Junge geworfen und dort sorgfältig
vor aller Augen verborgen. Trotz der größten
Mühe konnte die Lagerstätte erst nach zehn
bis zwölf Tagen entdeckt werden. Als dies aber
einmal geschehen war, gab sich Miez auch weiter gar
keine Mühe, ihre Kinder zu verstecken. So mochten
ungefähr drei oder vier Wochen hingegangen sein,
da erscheint sie plötzlich bei meiner Mutter,
schmeichelt und bittet, ruft und läuft nach der
Tür, als wollte sie den Weg weisen. Meine Eltern
folgen ihr nach, sie springt erfreut über den
Hof weg, verschwindet auf dem Heuboden, kommt über
die Treppe zum Vorschein, wirft von oben herab ein
junges Kätzchen auf ein Heubündel, welches
unten liegt, springt ihm nach und trägt es bis
zu meiner Mutter hin, zu deren Füßen sie
es niederlegt. Das Kätzchen wird freundlich auf-
und angenommen und geliebkost. Mittlerweile ist die
Katze wieder auf dem Heuboden angelangt, wirft ein
zweites ihrer Kinder gleicherweise herab, trägt
es aber bloß einige Schritte weit und ruft und
schreit, als verlange sie, daß man es von dort
abhole. Diese Bitte wird gewährt, und jetzt wirft
die faule Mutter ihre beiden andern Kinder noch herab,
ohne sich aber nur im geringsten mit deren Fortschaffung
zu befassen, und erst als ihr ganz entschieden bedeutet
wird, daß man die Kleinen liegenlasse, entschließt
sie sich, dieselben fortzuschleppen. Wie sich ergab,
hatte die Katze fast gar keine Milch mehr, und klug
genug, wie sie war, sann sie deshalb darauf, diesem
Übelstand so gut als möglich abzuhelfen,
brachte also ihr ganzes Kindernest jetzt zu ihrem
Brotherrn.
Dieselbe Katze bekundete eine Anhänglichkeit
an meinen Vater, welche von der des treuesten Hundes
nicht hätte übertroffen werden können.
Sie wußte, daß sie dieses ausgezeichneten
Tierkenners und Tierfreundes Liebling war, und bemühte
sich, dankbar zu sein. Jeden Vogel, welchen sie gefangen
hatte, brachte sie, und zwar kaum oder nicht verletzt,
ihrem Herrn, es ihm gleichsam anheimgebend, ob er
ihre Beute wieder in Freiheit setzen oder für
seine Sammlung verwenden wollte; niemals aber vergriff
sie sich, was andere Katzen nicht selten tun, an den
ausgestopften Stücken der Sammlung, durfte deshalb
auch unbedenklich im Zimmer gelassen werden, wenn
alle Tische und Bänke voller Bälge lagen.
Auf den ersten Ruf meines Vaters erschien sie sofort,
schmeichelnd oder bettelnd, je nachdem sie erkannt
hatte, ob sie bloß zur Gesellschaft dienen oder
einen ihr aufgesparten Bissen erhalten sollte. Schrieb
oder las mein Vater, so saß sie meist behaglich
spinnend auf seiner Schulter; verließ er das
Haus, gab sie ihm das Geleit.
Während der letzten Krankheit
ihres Gebieters, dessen reger Geist bis zum letzten
Augenblick tätig war, besuchte sie ihn täglich
stundenlang, versuchte auch noch außerdem, ihm
Freude zu bereiten. An den mit Vogelbälgen angefüllten
Kistchen und Schachteln fanden wir fast täglich
frisch gefangene und getötete Vögel, welche
sie zu den ausgestopften gelegt hatte. Nenne man dies
Eitelkeit, sage man, daß sie dafür gelobt
sein wollte: Verständnis für die Wünsche
ihres Herrn und guten Willen, letztere zu erfüllen,
wird man solchen Handlungen nebenbei doch zusprechen
müssen. Ich will es als einen Zufall gelten lassen,
daß dieses treffliche Tier von der Leiche und
von dem Sarg meines Vaters gutwillig nicht weichen
wollte und, weggenommen, immer wieder zurückkehrte;
erwähnenswert scheint mir die Tatsache aber doch
zu sein.
"Als ich am Nervenfieber krank
lag", berichtete eine Frau, "vermißte
mich meine Katze sofort, suchte mich und setzte sich
so lange an die Tür des Krankenzimmers, bis sie
Gelegenheit fand, hereinzuschlüpfen. Hier tat
sie nun ihr Bestes, mich nach ihren Kräften zu
unterhalten und zu erheitern. Da sie jedoch merkte,
daß ich zu krank war, um mit ihr spielen zu
können, setzte sie sich an meine Seite und schwang
sich förmlich zu meiner Krankenwärterin
auf. Auf alles, was mit mir geschah, gab sie genau
acht, und sobald ich mich nach ihr umsah, erschien
sie augenblicklich mit freundlichem Schnurren bei
mir. Niemand hätte größere Wachsamkeit
oder zärtlichere Sorgfalt für mich bekunden
können. Sehr bald wußte sie Bescheid über
die verschiedenen Stunden, um welche ich Arznei oder
Nahrung nehmen mußte. Wenn meine Pflegerin nachts
zuweilen in Schlaf verfiel, weckte die achtsame Katze
sie regelmäßig zur bestimmten Zeit dadurch
auf, daß sie ihr ganz sanft in die Nase biß.
Geradezu wunderbar erschien mir die Tatsache, daß
sich das Tier, trotzdem sich in meinem Zimmer keine
Uhr befand, bei Tag wie bei Nacht kaum um fünf
Minuten in seinen Berechnungen irrte."
Aus all dem geht hervor, daß
die Katzen die Freundschaft des Menschen in vollstem
Maß verdienen.
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